https://foster2forever.com/2024/08/ocr9ra2nyyt.html Strafbarkeit eines Geschäftsführers bei steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen und Ausfuhrlieferungen
Der Spruchsenat des Zollamts Linz Wels – eine österreichische Eigenheit, eine Mischung aus Finanzstrafbehörde und Gericht, in Deutschland, wo es in den 1950er Jahren etwas Ähnliches gab, aus rechtsstaatlichen Gründen verboten – hat eine sehr bemerkenswerte Entscheidung getroffen, die durchaus verallgemeinerungsfähig ist.
Die Entscheidung betrifft innergemeinschaftliche Lieferungen nach der Einfuhr, die sog. innergemeinschaftliche Anschlusslieferung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG (= Art. 6 Abs. 3 österreichisches UStG), die ein indirekter Fiskalvertreter, i. d. R. ein Spediteur, zolltechnisch abwickelt. Sowohl in Deutschland, aber auch in Österreich wird der indirekte Vertreter so behandelt, als wäre er neben dem von ihm vertretenen Importeur für die innergemeinschaftliche Lieferung, also insbesondere für die Beibringung des Buch- und Belegnachweises nach der UStDV (bzw. in Österreich nach der VO Nr. 401/1996) verantwortlich (vgl. zu dieser rechtsirrigen Praxis demnächst Schrömbges, MwStR 2018, Heft 3). Die Entscheidungsgründe lassen sich also auch auf die „normale“ innergemeinschaftliche Lieferung, aber auch auf die Ausfuhrlieferung, „modo grosso“ übertragen.
Typisch ist: Das Zollamt wirft dem Spediteur vor, er habe seine Nachweispflichten im Zusammenhang mit der innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung nach Art. 6 Abs. 3 UStG nicht erfüllen können, sei es, dass der angegebene Empfänger nicht existiere, er in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sei, keine gültige Umsatzsteueridentifikationsnummer habe oder als Missing Trader in einem Umsatzsteuerkarussell verwickelt sei oder, oder …
In diesem Zusammenhang werden exorbitante Recherchen verlangt; das geht teilweise so weit, dass die Steuerfreiheit versagt wird, wenn der Steuerpflichtige sich nicht persönlich vor Ort von der Existenz und der Zuverlässigkeit des potenziellen Kunden erkundigt.
Wird nun das Speditionsunternehmen aufgrund der Nacherhebung der EUSt insolvent, so versucht die Verwaltung im Wege des Haftungsbescheids nach § 190 AO (= § 224 BAO) die nicht eingetriebenen Steuern bei dem Geschäftsführer geltend zu machen. Zusätzlich wird in aller Regel ein Steuer- bzw. Finanzstrafverfahren wegen vorsätzlich oder grobfahrlässiger Verkürzung von Eingangsabgaben nach §§ 36 Abs. 2, 35 Abs. 2 FinStrG eingeleitet. Diese Situation kann sich auch leicht in Deutschland ergeben. Besteht der Verdacht einer vorsätzlichen Verletzung der Geschäftsführerpflichten, wird ein Steuerstrafverfahren nach § 370 AO eingeleitet, ansonsten ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 AO.
Der von der Verwaltung dabei typischerweise erhobene Vorwurf ist, der Geschäftsführer habe seine Auswahl- und Überwachungspflicht nicht ausreichend beachtet. Auch daran werden extreme Anforderungen gestellt.
Wir haben nun gegenüber dem Spruchsenat dargelegt, dass es darauf im Rahmen des FinStrG überhaupt nicht ankommt. Dem ist der Spruchsenat voll und ganz gefolgt. Dessen Entscheidungsgründe haben die Finanzstrafbehörde derart überzeugt, dass es nicht einmal die Berufung zum Bundesfinanzgericht eingelegt hat.
Wir meinen, die Entscheidungsgründe des Spruchsenats lassen sich generell in allen Situationen verwenden, in denen ein Geschäftsführer wegen der (angeblichen) Verletzung von Geschäftsführerpflichten im Rahmen steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen und Ausfuhrlieferungen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden soll.