Schlussanträge in der Rechtssache C-124/20 (Bank Melli ./. Telekom Deutschland)
EU-Unternehmen können Geschäftsbeziehungen mit von Drittstaaten sanktionierten Personen nicht kündigen, wenn die Sanktionen gegen die Blocking-VO 2271/96 verstoßen und die Kündigung nicht mit außerhalb der betreffenden Sanktionen liegenden Gründen gerechtfertigt werden kann
Das Verfahren
Generalanwalt Hogan hat heute sein Schlussanträge in der Rechtssache C-124/20 vorgelegt, in der es um Voraussetzungen und Reichweite der EU-Blocking-VO 2271/96 geht. Diese verbietet EU-Unternehmen, überschießende Sanktionen, die von Drittstaaten verhängt werden, zu befolgen und betraf im vorliegenden Fall die Kündigung von Kommunikationsleistungen durch die Telekom gegenüber der deutschen Niederlassung der iranischen Bank Melli, die unter bestimmte US-Sanktionen fällt und in der Sanktionsliste „Specially Designated Nationals and Blocked Persons List“ (SDN-Liste) aufgeführt wird.
Dabei ist Generalanwalt Hogan im Wesentlichen unserer Argumentation in der mündlichen Verhandlung gefolgt:
Das Ergebnis
Der Generalanwalt, der – in seinen eigenen Worten „no particular pleasure“ an dem von ihm gefunden Ergebnis hat, meint:
1. Das Verbot, bestimmte (hier: US-)Sanktionen zu befolgen, richtet sich an jedes EU-Unternehmen, ohne dass es hierzu durch eine drittstaatliche Behörde aufgefordert werden muss.
2. Ein EU-Unternehmen ist daran gehindert, Vertragsbeziehungen mit einem Unternehmen auf der US-SDN-Liste zu beenden, wenn es dies nicht mit außerhalb der betreffenden Sanktionen liegenden Gründen rechtfertigen kann, wobei es insoweit die Beweislast trifft.
3. Die Blocking-VO rechtfertigt es, als Eingriff in die unternehmerische Freiheit gemäß Art. 16 Grundrechtscharta das kündigungswillige EU-Unternehmen an dem in Rede stehenden Vertrag festzuhalten.
Einordnung
Der Generalanwalt macht dabei keinen Hehl daraus, dass man den Iran, der Eigentümer von Bank Melli ist, ohne Weiteres für einen Unrechtsstaat halten kann (Rn. 87 der Schlussanträge); vor dem Hintergrund der geltenden Gesetze war für ihn aber offenbar ein anderes Ergebnis nicht vertretbar.
Abzuwarten bleibt, wie der EuGH nun mit den sehr sorgfältig und ausführlich formulierten Ausführungen Hogans umgehen wird.
Link zu den Schlussanträgen: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX:62020CC0124